Messenger-InteroperabilitÀt: Warum sich WhatsApp mit Telegram verbinden muss

Vor Jahren schon haben sich App-Entwickler Messenger-InteroperabilitĂ€t zur Aufgabe gemacht. Im Zuge des Digital Markets Acts (DMA) wird jetzt der ein oder andere Nachrichtendienst verpflichtet, interoperable Messenger-Dienste anzubieten. Dadurch wĂ€re es dann zum Beispiel möglich, Telegram mit WhatsApp zu verbinden oder Signal mit iMessage. Messenger-InteroperabilitĂ€t: Was ist das? Was steckt hinter der InteroperabilitĂ€t der Messenger-Dienste und was Ă€ndert sich fĂŒr mich, wenn ich ĂŒber Messenger wie Telegram und Co. Nachrichten schreiben will?
Junger Mann macht ein Selfie mit seinem Hund. Er will es mit dem Messenger verschicken.
© BullRun
Erstellt von Dietmar :ago

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Messenger-InteroperabilitĂ€t: Bedeutung fĂŒr WhatsApp und Co.

Wer die AnfĂ€nge der Messenger-Nachrichtendienste miterlebt hat, erinnert sich noch an ICQ oder Skype. Diese Messenger waren seinerzeit sehr beliebt. Über Skype ließen sich sogar bereits relativ frĂŒh Video-Calls in annehmbarer QualitĂ€t durchfĂŒhren. TatsĂ€chlich haben beide Dienste bis heute ĂŒberlebt, spielen in der Welt der sozialen Netzwerke allerdings kaum mehr eine Rolle. An die Spitze der Nachrichtendienste hat sich in Deutschland ein Messenger gekĂ€mpft: WhatsApp.

Beim reinen Nachrichtenschreiben liegt der Dienst hierzulande noch hinter den Social-Media-Plattformen Facebook und Youtube. Europaweit hat sich WhatsApp laut der aktuellen Nutzerzahlen mit 83,6% sogar mit deutlichem Vorsprung auf Platz 1 gekĂ€mpft. In den USA sieht es etwas anders aus. Wer dort kurze Nachrichten schreiben will, greift immer noch in erster Linie zu SMS. Die Spitzenposition verteidigt unangefochten der Facebook Messenger. Nur 27% der US-amerikanischen Messenger-Nutzer greifen auf WhatsApp zurĂŒck.

Vor TikTok und Telegram war WhatsApp

Als der WhatsApp-Messenger noch jung und an Nachrichtendienste wie Telegram oder TikTok noch nicht zu denken war, verbreitete sich die dazugehörige App wie ein Lauffeuer. FĂŒr den Preis von jĂ€hrlich einem Euro konnten Nachrichten verschickt und Bilder und Videos geteilt werden.

In den vergangenen Jahren hat sich das Bild gewandelt. WhatsApp ist immer noch einer der MarktfĂŒhrer, doch die Konkurrenz schlĂ€ft nicht. Wie die Pilze schossen diverse Messenger und Nachrichtendienste der Social Media-Plattformen aus dem Boden:

  • Telegram
  • Facebook Messenger
  • Instagram
  • iMessage
  • Signal
  • Threema
  • TikTok
  • Amazon Messenger
  • Kik
  • Facetime
  • Viber
  • Xfire
  • Discord
  • Wire
  • Kullo
  • Wafer

Das sind bei weitem nicht alle. Auch wenn die Grundfunktionen wie Chatten, Medienversand, Gruppenchats und Telefonie bei den meisten Messenger-Diensten gleicht ist, gibt es doch einige Abweichungen in der FunktionalitÀt und besonders auch im Hinblick auf den Datenschutz.

Da die Auswahl an Nachrichtendiensten allerdings schier unendlich scheint, kann sich doch jeder User den Messenger wĂ€hlen, der am besten zu seinen BedĂŒrfnissen passt. Ganz so einfach wie in der Anfangszeit der Message-Dienste ist es jedoch nicht. Nicht selten nutzen persönliche und geschĂ€ftliche Kontakte völlig unterschiedliche Apps zum Chatten. Wer mit der Person in Kontakt bleiben will, muss also entweder sein GegenĂŒber davon ĂŒberzeugen, den Messenger zu installieren, den man selbst nutzt oder muss selbst einen anderen Nachrichtendienst auf sein Smartphone laden. Nicht selten haben Handynutzer mehr als fĂŒnf verschiedene Messenger-Apps auf ihrem GerĂ€t installiert. Das fĂ€llt es schwer, den Überblick zu behalten, wen man ĂŒber welchen Messenger erreichen kann, wer wann was geschrieben hat oder wem man noch zurĂŒckschreiben muss. Das kann natĂŒrlich extrem nervig und anstrengend sein. Einen Ausweg aus der Misere könnte die InteroperabilitĂ€t von Messenger-Diensten bieten.

Messenger-InteroperabilitÀt: Was ist das?

Per Definition ist InteroperabilitÀt die FÀhigkeit verschiedener technischer Systeme (Hardware und Software) nahtlos miteinander zu interagieren. So liegt in Bezug auf die Messenger-InteroperabilitÀt die Bedeutung auf der Hand: Ist ein Nachrichtendienst interoperabel, kann er die Daten anderer Messenger verarbeiten. Das bedeutet, dass ich zum Beispiel von Telegram an WhatsApp eine Nachricht schicken kann oder umgekehrt.

Wie funktionieren interoperable Messenger-Dienste?

Messenger-InteroperabilitÀt als Funktion von Nachrichtendiensten ist bei App-Entwicklern schon seit lÀngerem ein Thema. So kann z. B. aus dem Messenger Wafer heraus jeder Kontakt angeschrieben werden, der sich im Speicher des Smartphones befindet. Allerdings erhÀlt derjenige dann keine direkte Nachricht in einer seiner Messenger-Apps, sondern erhÀlt einen Link zu der entsprechenden Nachricht.

Bereits vor ĂŒber zwei Jahren kamen App-Lösungen auf den Markt, die versprachen, die Probleme mit der Messenger-InteroperabilitĂ€t zu reduzieren. Apps wie DM Me integrierten Daten aller Messenger-Dienste die der User nutzte. So war es möglich, aus einer Anwendung heraus Nachrichten und Medien an verschiedene Messenger zu senden und sĂ€mtliche Messenger aus einer App heraus zu verwalten. Allerdings mĂŒssen die Messenger-Dienste dafĂŒr entsprechende Schnittstellen zur VerfĂŒgung stellen. Außerdem mĂŒssen sĂ€mtliche Messenger, die mit solche einem Tool verwaltet werden, auf dem Device installiert sein. Anders als bei einer echten InteroperabilitĂ€t mĂŒssen also wieder zig Messenger installiert und fortlaufen geupdatet werden. Das frisst nicht nur Speicherplatz auf dem Handy, sondern auch Arbeitsspeicher im System, da Messenger-Apps in der Regel stĂ€ndig im Hintergrund laufen.

Echte Messenger-InteroperabilitÀt wÀre gegeben, wenn:

  • Aus einem Messenger heraus mit einem anderen Nachrichtendienst kommuniziert werden kann, bei dem der User keinen Account hat und der nicht auf seinem GerĂ€t installiert ist
  • Nachrichten von einem Messenger an einen anderen weitergeleitet werden können
  • Features in Nachrichten aus einem Messenger auch bei einem anderen Nachrichtendienst angezeigt werden
  • FĂŒr die Nutzung der Kommunikation mit anderen Messengern keine speziellen Einstellungen oder Programmierungen nötig sind

Technisch umgesetzt werden könnte die InteroperabilitĂ€t von WhatsApp und Co. beispielsweise ĂŒber sogenannte Bridge-Server, die zwischen den unterschiedlichen Systemen „vermitteln“. Aufgrund von Sicherheitsbedenken gegenĂŒber dieser Methode steht ein gemeinsames Protokoll aller Messenger im Raum, was zumindest aktuell noch reine Zukunftsmusik ist. Eine vielversprechende Methode, um in Beziehung auf die Messenger-InteroperabilitĂ€t eine sichere Kommunikation zu gewĂ€hrleisten, könnte das Client-Side-Bridging sein, da bei dieser Technik eingehende Nachrichten erst auf den GerĂ€ten der EmpfĂ€nger entschlĂŒsselt.

Warum sich WhatsApp mit Telegram verbinden soll

Hundertprozentige Messenger-InteroperabilitĂ€t im Netzwerk fordert die EU jetzt auch von diversen Messenger-Diensten. Laut Digital Markets Act, einem im Mai 2023 in Kraft getretenem Gesetz fĂŒr faire und offene digitale MĂ€rkte, soll dies die Nutzung der Messenger fĂŒr die Verbraucher ĂŒbersichtlicher gestalten. Außerdem erhofft sich die EU-Kommission, auf diesem Wege eine Wettbewerbsverzerrung auszugleichen. Daher gilt diese verbindliche Forderung allein fĂŒr die sogenannten Digital Gatekeeper.

Was ist ein Digital Gatekeeper?

Im Bereich Messenger und Social Media werden als Digital Gatekeeper Unternehmen bezeichnet, die aufgrund ihrer Nutzerzahl, ihres Umsatzes, ihrer Verbreitung oder anderer Faktoren den Markt dominieren. In der Bestimmung zur Messenger-InteroperabilitÀt laut Gesetz des Digital Markets Acts, hat die EU bestimmte Richtwerte festgelegt, die einen Digital Gatekeeper definieren:

  1. Mehr als 7,5 Milliarden Umsatz in den letzten drei Jahren
  2. Bieten ihre Dienste in mehr als drei EU-LĂ€ndern an
  3. Über 45 Millionen monatlich aktive Nutzer

Treffen alle drei Bedingungen zu, handelt es sich um einen Digital Gatekeeper. Momentan fallen unter diese Definition laut EU folgende Unternehmen:

  • Microsoft
  • Meta
  • Amazon
  • Apple
  • Alphabet (Google, Youtube)
  • ByteDance (TikTok)

Im Bereich Messaging trifft die Definition Gatekeeper derzeit nur auf einen Konzern zu: Meta. Laut Bestimmungen des Digital Market Acts mĂŒssen also der Facebook Messenger, Instagram und WhatsApp ab dem Jahr 2024 die InteroperabilitĂ€t ihrer Messenger-Dienste gewĂ€hrleisten.

Messenger-InteroperabilitÀt: Vorteile und Nachteile

Der Ansatz der EU ist folgerichtig. Dennoch bleibt abzuwarten, ob diese Bestimmung im Digital Markets Act die WettbewerbsfÀhigkeit kleinerer Messenger-Dienste erhöht. Gerade diese Unternehmen sind sich derzeit unsicher, wie sie mit der Messenger-InteroperabilitÀt umgehen sollen. Die meisten lehnen sie schlichtweg ab.

Die Vorteile der Messenger-InteroperabilitÀt

TatsĂ€chlich wĂ€re eine umfassende Messenger-InteroperabilitĂ€t fĂŒr viele Nutzer ein Segen. Da beispielsweise WhatsApp ein vielgenutzter Messenger-Service ist, könnten dann theoretisch aus jedem Messenger Nachrichten an User geschickt werden, die WhatsApp haben, ohne dass die Absender selbst WhatsApp installieren mĂŒssten.

Letztendlich wĂŒrde sich eine InteroperabilitĂ€t auch positiv auf die Regulierung des Marktes auswirken, da die User frei entscheiden könnten, welche App sie nutzen. Das stĂ€rkt letzten Endes die SouverĂ€nitĂ€t der Verbraucher. Dieser Effekt kann sich allerdings erst vollumfĂ€nglich einstellen, wenn alle Messenger InteroperabilitĂ€t gewĂ€hren.

Auch fĂŒr Unternehmen könnte Messenger-InteroperabilitĂ€t im B2C-Bereich von Bedeutung sein, da sie mit ihren Kunden unabhĂ€ngig von deren Messenger-PrĂ€ferenz kommunizieren können.

Welche Nachteile bringen Interoperable Messenger-Dienste?

Abgesehen von der Frage, ob sich wirklich alle Messenger interoperabel miteinander verbinden lassen, gibt es einige deutliche Nachteile, die mit der Öffnung der Messenger-Dienste verbunden sein könnten:

  • Technische Herausforderungen
    Die Implementierung von Messenger-InteroperabilitĂ€t mit hoher QualitĂ€t ist technisch komplex und kann zu Problemen mit der Sicherheit und der PrivatsphĂ€re fĂŒhren.
  • Höhere Kosten fĂŒr die Anbieter
    Die Implementierung der Daten anderer Netzwerke kann fĂŒr die Anbieter der Messenger-Dienste zu deutlich höheren Kosten fĂŒhren.
  • Konkurrenzverzerrung
    Geraten die Digital Gatekeeper unter Druck, weil viele Nutzer zu kleineren Messengern abwandern, könnte das dazu fĂŒhren, dass die großen Firmen die kleinen Anbieter schlucken, um das Marktmonopol zu erhalten.

Letzten Endes spielt auch die GewÀhrleistung des Datenschutzes eine Rolle, da hier die diversen Messenger-Anbieter zum Teil gÀnzlich anders aufgestellt sind.

Durch Messenger-InteroperabilitÀt Sicherheit von User-Daten nicht gewÀhrleistet?

Als besonders sichere Messenger-Dienste in Bezug auf den Datenschutz gelten Signal und Threema. Signal gewĂ€hrt sogar via GitHub Einblick in seinen Code. Dagegen ermöglich Telegram zwar das Chatten ohne Eingabe von Telefonnummern oder sonstiger Nutzerdaten, doch es können sĂ€mtliche ChatverlĂ€ufe einschließlich der Medien beliebig von den Betreibern verwendet werden. Persönlichkeitsrechte gibt es hier im Prinzip nicht. WĂ€ren alle Messenger interoperabel, könnte das dann bedeuten, dass ich aus einem Messenger mit hohen Datenschutzstandards Nachrichten an einen Kontakt schreibe, dessen Messenger niedrige Standards hat. Damit habe ich also keine Kontrolle, wo meine Daten im Endeffekt landen. Das scheint momentan eines der grĂ¶ĂŸten Probleme der Messenger-InteroperabilitĂ€t zu sein.

Dementsprechend reagieren auch Messenger-Betreiber, die einen hohen Datenschutz gewĂ€hrleisten skeptisch, da dadurch ein Hauptargument, diesen Messenger zu nutzen, entkrĂ€ftet wird. Wenn ich davon ausgehe, dass Telegram oder Meta mit meinen Daten Schindluder treiben, meine Daten aber letztendlich doch ĂŒber meine Kontakte in deren Netzwerken landen, kann ich gleich diese Messenger-Dienste benutzen. Damit wĂŒrde sich dann letztendlich die InteroperabilitĂ€t fĂŒr die am meisten verbreiteten Messenger auszahlen. Die kleineren Anbieter wĂŒrden vom Markt verdrĂ€ngt.

Zurzeit ist die Informationslage noch dĂŒnn, was die Lösung dieses Datenschutzproblems angeht. Es dĂŒrfte sich dabei um eine der grĂ¶ĂŸten Herausforderungen bei der Umsetzung der Messenger-InteroperabilitĂ€t in der EU handeln.