Liebesleben vorprogrammiert: Automatisierung im Alltag
(A-)soziale Medien?
Die sozialen Medien erlaubt es uns, ständig erreichbar zu sein und mit Menschen ungeachtet der physischen Distanz in Kontakt zu bleiben. Manchmal ist der Posteingang aber so überflutet, dass man gar nicht mehr hinterherkommt, alle Nachrichten zu beantworten.
Facebook hat sich diesem Problem angenommen und es für Business Accounts erlaubt, vorformulierte Antworten auf Nachrichten zu verschicken. Auch, wer eine Anfrage an einen Verkäufer auf dem Facebook Marktplatz versendet, erhält bereits Vorschläge wie: “Ist das noch verfügbar?”
Bevor es Social Media gab, war es keine Seltenheit, über Monate nichts von Freunden und Bekannten zu hören. Weil es durch Facebook, Instagram, Twitter und Co. aber so einfach geworden ist, den Kontakt zu halten, sind auch die Erwartungen gestiegen. Wer einen großen Freundeskreis hat, hat also viel damit zu tun, Nachrichten an alle Menschen zu versenden, die einem wichtig sind. Täglich verbringen wir fast 4 Stunden am Smartphone, die meiste Zeit davon auf sozialen Plattformen. Wie entlastend wäre es da, soziale Interaktionen zu automatisieren? Kann die Automatisierung des digitalen Soziallebens eine Zeitersparnis sein - oder werden soziale Medien dadurch einfach nur asozial?
Der Programmierer, der seine Beziehung automatisierte
Manche finden es hirnrissig, andere wiederum sehr reizvoll: Die Idee, sein Liebesleben zu automatisieren polarisiert. Eine Beziehung zu pflegen erfordert Mühe und Zeit. Technologie hat es uns erlaubt, auch in Kontakt zu stehen, wenn ein persönliches Treffen nicht möglich ist. In einem stressigen Alltag können aber selbst Kurzmitteilungen an die Partnerin oder den Partner manchmal viel kostbare Zeit rauben.
In seinem Buch “Coders: The Making of a New Tribe and the Remaking of the World” berichtet Clive Thompson von einem Programmierer aus San Francisco, der aus diesem Grund einen Algorithmus entwickelt hat, der automatisch romantische Nachrichten in regelmäßigen Abständen an seine Partnerin schickt. Diese sind auf die jeweilige Tageszeit abgestimmt, sodass sie Guten-Morgen- und Guten-Abend-Grüße und kleine “Ich denke an dich”-Nachrichten über den Tag verteilt erhält. Die Automatisierung geht aber noch einen Schritt weiter: Wenn er einmal länger arbeiten muss, wählt der Algorithmus aus einem Pool an Gründen und Entschuldigungen, warum er heute später zu Hause sein würde, aus und übermittelt diese an seine zu Hause sehnsüchtig wartende Freundin.
Automatisierung im Alltag
Effizienz und Produktivität sind etwas, das sich viele Menschen für ihren Alltag wünschen. Automatische E-Mail-Antworten, Smart Home Systeme, die Licht, Elektronik und verschiedenste Technologien in den eigenen vier Wänden automatisieren und Produktivitätstools sind nur ein paar wenige Beispiele dafür, wie Menschen versuchen, Ineffizienz zu vermeiden und Zeit zu sparen.
Überträgt man die Automatisierung auf das Sozialleben, ist nur die Frage: Zeit wofür? Sollten wir Effizienz nicht auf den Arbeitsalltag fokussieren und dafür die Freizeit ganz manuell mit sozialen Interaktionen füllen, die uns und unserem Gegenüber – sei dies real oder virtuell – Spaß machen? Denn mal ganz ehrlich: Wer möchte schon von Freunden und romantischen Partnern maschinengenerierte Nachrichten erhalten? Dann doch lieber ein seltener, aber dafür persönlicher Gruß.